Eine Frage, die ich mir höchstens alle vier Jahre stellen kann: Wenn ich „heute vor einem Jahr“ über etwas sagen will, was an einem 29. Februar passiert ist, ist das korrekte Datum für diese Aussage dann der 28. Februar oder der 1. März? „Ein Jahr Pandemie“ ist eine Formulierung, die seit einigen Tagen durch die Berichterstattung geistert und die ich im Kopf gelegentlich um die Zeile „Ein Jahr Verlust der üblichen Zeitverhältnisse“ ergänze. Ich bin manchmal immer noch erstaunt bis ratlos darüber, wie nach vier extrem ereignisreichen Wochen (Konzert in Köln, Berlinale, plötzlich ein kleines Buch, nach dem sehr von Zimtschnaps geprägten Geburtstag von A. morgens sehr früh und noch völlig restbetrunken den Redebeitrag für die 8.März-Demo fertig geschrieben) ein ganzes Jahr der Nichtereignisse (es gibt einen sehr schönen Film, von dem ich diese Formulierung ausleihe) mit voller Wucht in die Kulisse gekracht ist. Natürlich weiß ich, dass es eigentlich am Virus (bzw. der hier eher halbherzig geführte Kampf dagegen) liegt, aber als die Mystikerin, die ich nun einmal bin, hege ich trotzdem den Verdacht, dass es in diesem ereignisreichen Zeitraum vor einem Jahr vielleicht einen Glitch auf der Zeitachse gab, der sich bis heute nicht ausgleichen lässt. Vielleicht habe ich ihn selbst erzeugt, indem ich erst eine Woche lang mein Zeitgefühl aufgelöst und dann ausgerechnet am 29. Februar eine gefährliche Zeitreise unternommen habe. Ich denke dieser Tage viel daran, wie Bandkollege P. und ich mit dem Kofferraum voller Equipment durch die handyempfangsfreie Übergangszone zwischen schleswig-holsteinischer Provinz und Hamburger Speckgürtel tuckerten (in dieser Gegend fährt man grundsätzlich einer behäbigen Landmaschine hinterher) und über die ersten Fälle von Covid-19 im Kreis Segeberg sprachen. Es sollte nach Elmshorn gehen, so weit war Bad Segeberg nicht entfernt. Wie viele Bad Segeberger würden ein Metalkonzert in Elmshorn besuchen? Ich fühlte mich sehr achtzehnjährig, als wir mit unseren Instrumenten unterm Arm das sogenannte Kranhaus betraten, in dem es sicher zehn Grad kälter war als draußen, und ich bekam nicht zusammen, wie so etwas futuremäßiges wie eine globale Pandemie mit der Subkultur meiner Jugend gleichzeitig existieren sollte, aber Corona war schon längst vor Ort, wenngleich in der Gestalt eines schlechten Witzes. Nachdem mir gestern eine Freundin von einem Rendezvous auf einem Friedhof berichtete, fand ich heraus, dass die Datingplattform Metalflirt.de noch immer existiert. Immerhin eine Gewissheit gibt es in diesen Zeiten: Metal will never die (but you will).