Geisterstunden

09:05 Uhr im Park, ein wenig später als üblich, weil ich nachts zwischen 3 und 5 Uhr wach lag und ein bisschen Schlaf hinten ran hängen musste. Es sind fast keine Hunde mehr im Park, weil die meisten von ihnen wohl Menschen gehören, die geregelte Arbeitszeiten haben oder generell früher dran sind als ich. Stattdessen begegnen uns ausschließlich junge Männer mit langen, dünnen Beinen, die wie verzagte, Flash-animierte Störche über die matschigen Wege staksen. Ich beobachte sie aus der Ferne und muss an Salad Fingers denken. Einer von ihnen läuft in ausladenden Sinuskurven über die vom Regen, Schnee und Hagel der letzten Wochen aufgeweichten Wiesen. Er hat nichts dabei, keinen Hund, kein Kind, keine Tasche. Auch Kniescheiben scheinen ihm zu fehlen (die immerhin hat Salad Fingers ihm voraus). Ich hege manchmal einen Verdacht, den ich nur selten jemandem anvertraue: Dass der Park zwischen 8 und 11 Uhr morgens eine Art Zwischenwelt ist, die in diesem Zeitraum nur von Wesen betreten werden kann, die sich gerade um jemanden oder etwas kümmern (z.B. um Kinder, Hunde oder Pflanzen) – und von Geistern, die es zeitlebens verpasst haben, einen bestimmten Auftrag zu erledigen und nun für immer auf eine neue Gelegenheit warten müssen, das Versäumte nachzuholen.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s