Ich bin schon zum dritten Mal diese Woche mit dem Hund im teuersten Viertel der Stadt unterwegs, das mir auch nach 12 Jahren in Kiel immer noch vorkommt wie ein unerforschter Planet im Outer Rim. Die Häuser, von denen sich manche hinter hohen Hecken oder kleinen Waldstücken verstecken, sehen aus, als seien sie allein durch den Geld-Cheat im SIMS-Baumodus finanzierbar gewesen. Weiß getünchte Fassaden, handverlesene Fensterläden, aufwändig gebrannte Dachziegel. Auf einigen Grundstücken würde mich das Vorhandensein eines Schmuckeremiten nicht überraschen. Obwohl Sonntag ist, sind wir mit zwei Haushalten und zwei Hunden beinahe die einzigen Menschen auf der Straße. Zwei große Straßen und eine Uferpromenade, an denen es heute voll und laut sein sollte, sind in der Nähe, aber zu hören ist davon nichts. Die einzige Geräuschkulisse: Ein sehr eifriger Specht in dem Waldstück, aus dem wir gerade kommen, das Tapsen von Hundepfoten auf dem Gehweg und das Motzen einer Frauenstimme hinter einer Hecke. Wir spitzen aufmerksam die Ohren.
„Du musst gar nicht so schreien“, sagt eine Männerstimme hinter derselben Hecke. „Du kannst auch normal reden!“
„Jaha“, erwidert die Frauenstimme. „Mit normalen Menschen rede ich auch normal!“
Wir versuchen, ganz still zu sein, damit sie nicht bemerken, dass sie belauscht werden. Als ich nicht anders kann, als mich noch einmal umzudrehen, hat die Männerstimme eine Gestalt bekommen. Auf dem Bürgersteig steht ein braungebrannter Mittsechziger mit einer weißen Bank unter dem Arm. Er und die Frau streiten weiter, ich kann aus der Entfernung nicht mehr alles verstehen, reime mir aber zusammen, dass das Gartenmöbelstück Anlass ihres Streits ist. Der Mann trägt grüne Shorts und dunkelrote Moon Boots. Ich kann nicht beurteilen, ob es wirklich angebracht wäre, ihn anzuschreien. Seine Schuhwahl bestätigt jedoch meinen Verdacht: Wir sind hier tatsächlich auf einem anderen Planeten.