Vögel fallen tot vom Himmel wegen Diktatur

Eine neue Entwicklung: Keine Albträume mehr, dafür neuerdings jeden Morgen ein anderes Detail, das sich mit genügend Interpretationswillen als böses Omen einordnen ließe. Gestern war es ein Militärhubschrauber, der über dem Schrevenpark kreiste, als würde dort ein Remake von Apocalypse Now gedreht. Ich hörte schon den Ritt der Walküren vor meinem geistigen Ohr und fragte mich, ob das die nächste Eskalationsstufe ist. Nur wovon genau? Heute früh ist es ein nacktes, totes Vogelküken, das am Fuß der Hecke vor dem Hauseingang liegt. Ich würde es gern angemessen begraben, kann aber mit dem Hund an der Leine nichts ausrichten. Besser wäre es, wenn er das tote Küken gar nicht erst bemerkt. Ich bin erleichtert, als es bei unserer nächsten Hunderunde nicht mehr an diesem Platz liegt.

Diese Hunderunde habe ich in kluger Voraussicht so gelegt, dass wir während der Corona-Clowns-Demo, deren Abschlusskundgebung auf dem Professor-Peters-Platz stattfinden soll (also quasi in meinem Vorgarten), nicht zuhause sind. Leider geht dieser Plan nicht auf. Auf dem Westring stauen sich die Polizeiautos, es sind Stimmen durch einen Lautsprecher zu hören. Immerhin kann ich sehen, dass viele Leute bei der Gegendemo sind, alle mit Masken und ausreichend Abstand, kurzes Aufatmen, bis ich sehe, wie sich zwei von den selbsternannten Querdenker*innen sich ohne Masken auf dem Grünstreifen vor meinem Fenster innig umarmen (mir wird ein wenig schlecht), wie irgendwie ökig aussehende Mittfünfziger einhellig neben offensichtlichen Nazis herlatschen, alle dicht an dicht, Plakate, die entweder irgendwas mit Liebe und Angst beschwören oder sich auf irgendein Denken berufen, oder noch schlimmer: irgendwas von TOTALER HYGIENE faseln (Falls das irgendwer von euch Trotteln lesen sollte: Tut euch Hände waschen wirklich so sehr weh?). Eine blonde Frau trägt eine rastafarimäßige Häkelmütze in Deutschlandfarben und haut im Gehen auf eine Trommel und ich denke, dass eigentlich allein ihr Anblick gereicht hätte, um eine Idee zu bekommen, wie sich diese unsägliche Interessengemeinschaft zusammensetzt. Die Demo soll laut Twitter eigentlich schon längst aufgelöst sein, weil sich hier ganz offensichtlich niemand an die Hygieneauflagen hält. Trotzdem ziehen sie fast alle in dieselbe Richtung den Westring herunter, mit selbstgefälligen, feisten Gesichtern, sie schaffen es nicht einmal, Abstand zu den bedauernswerten zwei Menschen zu halten, die bei der Eisdiele gegenüber ein Eis gekauft haben und sich nun so nah wie möglich an die Wand zu drücken versuchen. Mir fallen schließlich drei Schwurbler*innen auf, die sich angeregt über etwas zu unterhalten scheinen, das an der Bushaltestelle vor meiner Tür auf dem Boden liegt. Eine von ihnen macht sogar ein Foto. Als sie weg sind, meine ich zu erkennen, dass es sich dabei um das tote Vogelküken von heute morgen handelt. VÖGEL FALLEN TOT VOM HIMMEL (vielleicht aber auch nur: VÖGEL FALLEN TOT VOM BAUM), fällt mir ein, diesen Satz habe ich einmal auf einem alarmistischen Plakat über die angeblichen Gefahren von 5G gelesen (dabei wird das Küken keinen Meter geflogen sein außer eben auf den Boden, erst recht nicht am Himmel). Wahrscheinlich wandert das bedauernswerte Wesen nun einmal durch alle einschlägigen Telegram-Gruppen. Ich wünsche allen Menschen, die in diese Demo involviert waren, die Pest an den Hals. Auf der nächsten Hunderunde muss ich Sticker abkratzen. Zuhause wasche ich mir ausgiebig die Hände und denke an den toten Vogel, den ich damit nicht angefasst habe. Welches böse Omen sich wohl morgen früh zeigt. Ich kann es fast gar nicht erwarten.

2 Gedanken zu “Vögel fallen tot vom Himmel wegen Diktatur

  1. Womöglich das bereits zum zweiten mal sich zeigende böse Omen Ü30. Da ich das aber für ein gutes (Omen) halte, weil noch so weit, weit entfernt von Oma – herzlichen Glückwunsch!

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  2. „Keine Albträume mehr, dafür neuerdings jeden Morgen ein anderes Detail, das sich mit genügend Interpretationswillen als böses Omen einordnen ließe.“ Ich find‘ den Satz mega! ❤ ❤ ❤

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