Die schönste Havarie aller Zeiten

Ich gebe zu: Ich bin ein kleines bisschen besessen von der Tatsache, dass seit Mittwoch ein 400 Meter langes Containerschiff im Suezkanal feststeckt. Da die „Ever Given“ nicht nur auf Grund gelaufen ist, sondern auch noch quer steht, ist dort absolut kein Durchkommen. Es stauen sich bereits über 300 Schiffe, manche haben bereits beigedreht und den Umweg um Afrika in Kauf genommen. Im Internet kursieren bereits zahlreiche Bilder von Baggern, die das Schiff behutsam freibuddeln (die Gezeiten sollen dabei auch helfen, immerhin) und daneben rührend winzig aussehen. Das querstehende Schiff in einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt erinnert mich unangenehm an mein ungeschickten Versuche, mit einem Auto am Straßenverkehr teilzunehmen. Wie jeder Mensch mit Impostor-Syndrom liege ich schon mein ganzes Leben lang nachts oft wach und überlege, wo ich am Vortag oder vor zehn Jahren versagt habe oder in Zukunft versagen werde, aber diese monumentale Havarie dank Internet beinahe in Echtzeit verfolgen zu können, verschafft mir tatsächlich so etwas wie Linderung. Egal, was ich in den letzten Jahren verbockt habe: Immerhin habe ich niemals mit einem wirklich großen Schiff einen viel befahrenen Kanal verstopft! Das Schöne an diesem Missgeschick ist auch, dass es nun ausgerechnet ein Containerschiff ist, dem das gelingt, wessen sich die bundesdeutsche Corona-Politik konsequent verweigert. Endlich wird hier mal ein bisschen Kapitalismus lahmgelegt. Mit dem völligen Versagen der Regierung in der Pandemiebekämpfung (statt Osterlockdown gibt es jetzt, äh, einfach gar keine Strategie für die dritte Welle?) hat der bedauernswerte Kapitän der Ever Given nun eigentlich nichts zu tun. Trotzdem sieht das zweifelhafte Wasserballett auf dem offenen Meer und das anschließende drastische Auf-Grund-Laufen und Verstopfen des Suezkanals aus wie ein sehr schnippischer Kommentar auf die Lage in Deutschland. Vielen lieben Dank dafür!

Ein Gedanke zu “Die schönste Havarie aller Zeiten

  1. Das erste Extra des Tages (dem auch noch eine Stunde geklaut werden wird). Das hilft auch meinem Impostor-Syndrom und ist ein Labsal für die ständigen Selbstzweifel. Danke!

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