Die geheime Herrschaft der Pflanzen

Die Sonne ist schon längst untergegangen, als ich den unstillbaren Drang verspüre, dunklen Lippenstift aufzutragen und meine Pflanzen umzutopfen. In meinem Schlafzimmer liegt schon seit August ein ungeöffneter Sack Blumenerde, den ich nun endlich nach draußen auf den Balkon schleppe. Während ich im Schein meines kabellosen Baustrahlers zwei nicht mehr ganz so kleine, aus Supermarktzitronenkernen gezogene Zitronenbäumchen, eine sehr expansionsfreudige Buntnessel und eine ebenso ambitionierte Spuckpalme von alter Erde befreie und in größere Gefäße umsiedele, denke ich darüber nach, wieso ich es zwei Monate lang nicht einmal geschafft habe, die Erde aus meinem Schlafzimmer wenigstens auf den Balkon umzulagern, aber jetzt, um kurz vor 22 Uhr, unbedingt noch einmal alles umgraben muss. Welche Mondphase haben wir? Der Vollmond kann es nicht sein, dazu habe ich in den letzten Nächten zu gut geschlafen, aber der Himmel ist leider zu bewölkt, um das nachprüfen zu können. Vielleicht lade ich mir später eine Mondkalender-App herunter. Oder ich lege mir ein Grimoire an, in dem ich regelmäßig notiere, welche Pflanze mir wann welche Handlungen befielt. Denn, so schwant mir schon länger: Die Kontrolle über den Wildwuchs in meiner Wohnung habe ich schon lange verloren, aber vielleicht habe ich noch eine Chance, wenigstens seinen Zyklus zu durchschauen.

Ein Gedanke zu “Die geheime Herrschaft der Pflanzen

  1. Sowas kenne ich nur zu gut! Bei mir ist das aber nicht nur bei Pflanzen so. Manchmal sagt mein Zimmer auch um 23 Uhr noch „so jetzt will ich aber endlich mal aufgeräumt werden. Tue es JETZT.“

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