Geflutete Felder

Ein normaler Wintertag in Deutschland. Der Regen fällt in Sturzbächen und ich weiß schon, bevor ich das Haus verlasse, dass mir den ganzen Tag ein kleines bisschen zu warm sein wird. Das Radio berichtet, dass jemand in Hanau neun Menschen in zwei Shishabars und anschließend sich selbst getötet hat und dass Alfred Bauer, der Gründer der Berlinale, vor 1945 ein hochrangiger Funktionär in der Reichsfilmintendanz gewesen ist (die Spuren dessen, wie stark er vom NS-Regime profitiert ist, hat er als guter Deutscher natürlich gewissenhaft verwischt). Der Zug, mit dem ich zu ebendiesem Filmfestival fahre, passiert kurz hinter Kiel einige Felder und Wiesen, durch die sich für gewöhnlich die Eider schlängelt. Nach den Regenstürmen in den letzten Wochen ist die Eider eine überdimensionale Pfütze, fast schon ein See. Ihr Flussbett ist als solches kaum noch zu erkennen. Der Täter von Hanau hinterlässt ein Schriftstück, das genauso gut aus dem Parteiprogramm der AfD hätte stammen können, aber auf Rassismus als Tatmotiv möchte man sich vorerst nicht festlegen. Klar, er könnte ja auch einfach nur besorgt oder krank sein oder beides. Genau wie die Eider, die auch nur etwas tiefer ist als sonst. Das bisschen Wasser.

An einem kleinen Bahnhof zwischen Kiel und Berlin bemüht sich das Sicherheitspersonal darum, einen Antifa-Sticker zu entfernen. Lasst ihn doch da, denke ich, bitte, aber nur zweimal blinzeln und schon sieht es aus, als hätte er niemals auf dem Süßigkeitenautomaten geklebt.

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