[Mittwoch, der 5.2.2020]
Der erste sonnige Tag seit einer Woche. Die erste Tageshälfte ist frei, aber ich bin zu faul zum Kochen, also gibt es Kumpir in der Metzstraße. Ich sitze am Fenster und beobachte die wenigen Menschen, die sich um diese Zeit auf der Straße herumtreiben. Im Hintergrund laufen Dinosaur Jr., was mich ein wenig überrascht, weil ich den Kumpirmann gar nicht unbedingt als Grunge-Fan eingeordnet hätte (allerdings wäre er alt genug, um irgendwo Jugendfotos von sich selbst mit Flanellhemd und ungekämmten Haaren zu verstecken). Ich werde heute noch bis spät in den Abend hinein arbeiten müssen, aber jetzt gerade habe ich noch ein bisschen Zeit zum rumsitzen. Es könnte schlechter sein, dieses Leben, denke ich.
Und weil ja noch Zeit ist und auf der Straße gerade nicht passiert, schaue ich mal bei Twitter vorbei und sehe, dass #Thueringen, #noAfD und #FDP gerade trenden. Mir fallen die Ministerpräsidentenwahlen in Thüringen ein. Mit einem schlechten Bauchgefühl mache ich die notwendigen Klicks und finde heraus, was passiert ist: Der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich, dessen Partei bei den Landtagswahlen mit 5% und ein paar Zerdrückten gerade so ein paar Sitze im Parlament bekommen hat, ist nun dank der großzügigen Unterstützung der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden, obwohl es angeblich keine „wie auch immer geartete Zusammenarbeit“ geben sollte. Selbstverständlich hat Björn Höcke schon per Handschlag gratuliert. Christian Lindner hat zuerst von nichts gewusst und war dann doch informiert.
Draußen scheint die Sonne, und die swaggy neu aufgestellte FDP mit dem freshem Insta-Look, die von sich behauptet, DIE MITTE (mit ihren Wahlergebnissen und dem Umfang des Klientels, denen ihre Politik tatsächlich etwas nützen würde, stelle ich mir diese Mitte etwa so umfangreich vor wie die Oberfläche eines Knicks in einem Blatt Papier) vertreten zu wollen, kooperiert nun offiziell mit den Faschisten. Ich weiß gar nicht, wo ich mit diesem Sonnenschein/katastrophale politische Entwicklungen-Kontrast hinwill. Ich will es nur aufschreiben, um nicht zu vergessen, dass so etwas DIE GANZE F*CKING ZEIT passiert, auch, wenn ich es nicht direkt sehen kann. Und weil ich mir diesen Tag merken will, auch, wenn es nicht die erste und vermutlich auch nicht die letzte Katastrophe sein wird.