Heißt es eigentlich „zwischen den Tagen“ oder „zwischen den Jahren“? Wie auch immer, der Zeitraum zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Silvester ist auf eine entzückende Art seltsam. Um mich für den Berlinale-Besuch in ein paar Wochen freizukaufen, habe ich mich ganz selbstlos bereit erklärt, zwischen den Tagen/Jahren das Büro zu besetzen. Dementsprechend musste ich heute nach Tagen des Schlendrians wieder früh aufstehen. Ganz übermotiviert von dem schlechten Gewissen, das ich wegen all der Weihnachtsvöllerei gegenüber meinem Körper hegte (und weil ich neuerdings einen richtigen Badeanzug besitze!), verließ ich schon um 8 Uhr das Haus, um vor der Arbeit noch eine Runde schwimmen zu gehen. Es ist zauberhaft, so früh morgens durch die Stadt zu fahren, wenn sonst niemand unterwegs ist. Ohne morgendliche Hektik als Geräuschkulisse ist ein grauer Himmel viel schöner. Bei Stille entfaltet die Erhabenheit eines wolkenverhangenen Himmels erst ihre volle Wirkung. Leider hatte die Schwimmhalle noch geschlossen, als ich dort ankam. Die Chuzpe des alten Herrn, der gleichzeitig mit mir dort aufschlug, angeblich von draußen Menschen im Wasser gesehen hatte und nun auf sein unveräußerliches Recht auf Schwimmsport bestehen wollte, teilte ich nicht. Stattdessen saß ich vier Stunden lang ungeduscht und leicht beschämt darüber im Büro und wartete auf meinen zweiten Anlauf. Als ich gegen 15 Uhr meine etwa zehnte Bahn vollendete, stellte ich fest: von allen freiwillig herbeigeführten Schwimmsituationen ist die Version „Nachmittags im Hallenbad mit Sprungturm“ die schlechteste. Während ich im Slalom um die älteren Herrschaften im Ruhigschwimmer-Streifen schwamm, dachte ich wehmütig an all die guten Schwimmsituationen, die mir die Sommer des verschwindenden Jahrzehnts gebracht haben. Chlorwasserbecken verlieren grundsätzlich gegen norwegische Nordsee- und schwedische Ostseebäder bei Sturm und gegen idyllische Flüsschen, die einen in pittoresken süddeutschen Städten von A nach B transportieren. Befremdlich fand ich auch die abenteuerlichen Versuche der jüngeren, männlichen Badegäste, sich über die Sprungbretter ins Wasser zu werfen. Allein bei dem Gedanken, ein Einmeterbrett zu besteigen, schüttelt es mich. Auf ihre immerwährende Vortäuschung der Tatsache, es mache Spaß, auf sie zu klettern und ins Wasser zu springen, falle ich nicht mehr herein. Wie scheußlich es sich damals immer angefühlt hat: Vor dem Einer anstehen und frieren, weil der Körper fast nackt und gar nicht mehr in Bewegung ist, die Schwere des Körpers, wenn der Auftrieb fehlt, dann die ekelhaft raue Oberfläche des Sprungbretts und die Angst davor, nicht so zu landen, wie es eigentlich geplant war… Ein Meter über der Wasseroberfläche ist ein erschreckend langer Meter. Da lobe ich mir doch das gediegene Bahnenziehen im Ruhigschwimmerbereich.
Zum Zeitraum „zwischen den Jahren“ dachte ich mir einmal, es handle sich recht eigentlich nicht nur um die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester, sondern er erstrecke sich länger: http://salondufromage.blog/2017/12/29/ein-halbes-dezennium-goldt/
LikeLike
Genau das würde ich mir ja sogar wünschen! (So ein Jahr zwischen den Jahren wäre top)
LikeLike
Gute Idee! Wobei sich dann das Problem mit den Jahren zwischen dem Jahr und dem Jahr zwischen den Jahren sowie dem Jahr zwischen den Jahren und dem nächsten Jahr auftäte und es dabei zu allem Überfluss auch zu Jahren zwischen … –,aber ach, lassen wir das.
LikeLike